1 ︎︎︎ mein körper, der da wäre

Drei Gedichte von Johanna Hühn

 


ICH VERMUTE TAUBEN
ICH BERECHNE DEN HAUSHALT DER UNWIRTLICHKEIT
ALLES MÖGLICHE KÖNNTE PASSIEREN ODER NICHTS DAVON


ICH VERMUTE TAUBEN


mein körper (sogenannt)

fällt mir ein. wie er gestern unter dem fenster

den einzug kühlerer luft erwartet, die zweige

beobachtet, beobachtet, wie sie gegeneinanderstoßen,

liegt selbst ganz still.

ein körper, der ohne antwort abzuwarten, einschläft,

als versuch, mich zutage zu bringen.

nichts neugeborenes ist an ihm.



mein körper, insoweit

er sich als meiner ausgibt, indem er

sich dorthin legt, wo ich gestern zu schlafen kam,

zur rast. ein körper, den ich mir aneigne,

weil er sich einfand an der stelle, an der ich

mich schlafen legte, er mir vorfiel.



mein körper, zurechtgelegt.

die arme unter sich verstaut, liegt flach

auf dem bauch, im versuch, sich zusammen-

zufalten, wie er es bei den hemden beobachtet.

obwohl ich die hemden nicht bügele:

ihre beispielhafte ausgeglichenheit.



mein körper legt sich an den tag.

legt sich. der länge nach.

an die kürzer werdenden tage.

überschneidet sich nicht.



ICH BERECHNE DEN HAUSHALT DER UNWIRTLICHKEIT



ich berechne den haushalt der unwirtlichkeit

die schlafkahlen stellen das anschwellen

des still gelegten anteils an den teilen meines körpers

ich wiege die nächte mit der schläfe die warteschleifen

den schlummermodus das zucken der glieder

als ob schlaf ein gewitter ist das in der nähe einschlägt

ich rechne in den träumen mit nichts anderem

als den schleusen die ich tagsüber abfahre um mich

über das gestaute wasser zu beugen

selten überschneide ich meine erwartungen mit erwachen



ich verweise den platz,

das zuspiel der finger am mundwirbel,

an nasenflügel, bei tränenbein, trost,

das begriffene schäume ich auf und verwässere

was ich brauche, brauche ich auf




ALLES MÖGLICHE KÖNNTE PASSIEREN ODER NICHTS DAVON



ich umgehe den tagesbeginn. streife kurz

vor ladenschluss im schlaf, häufe träume

vom regal, ohne ansicht der aufschrift. ungeduldig

folgt das personal meinen gängen

zwischen kühltheken, ich beuge mich

über die eingeschweißten körper,

ein atem verklärt mir die sicht.



was ohne überleitung ist: über zu frühe

fliesen ins bad, die klebrigen stellen am gesicht melden

geständnisse, von denen der tag meint

sie sich sparen zu können, andererseits



es begab sich etwas blut auf dem boden, ich bückte mich.

es aufzuheben, fiel mir schwer.

ich bat um hilfe, gemeinsam

trugen wir es, vorsichtig, lösten es

im waschbecken wie ein versprechen. wozu, sagte keiner.



ich wusch und bügelte den staub.

lauerte den nachrichten auf.

zu vollen stunden saß ich am tisch.

was gibt es heute: stille, taumeldungen.